218
beit und richteten unter kaiserlichem Ansehen. Von Westphalen aus
hatten sie sich über ganz Deutschland verbreitet.
Hatte jemand einen Raub oder Mord, oder sonst ein Ver-
brechen begangen, so hatte er Ursach genug, vor dem furchtbaren
Richterstuhle der Wissenden zu zittern, selbst wenn er vor seinem ordent-
lichen Richter der Strafe schon entgangen war. Er wurde alsdann
von einem der Freischöppen vor dem heimlichen Gerichte angegeben,
und wenn dieser mit einem Eide erhärtete, daß das Verbrechen wirklich
von ihm begangen sei, wurde der Angeklagte zur Verantwortung auf-
gefordert. Die Vorladung geschah aber nicht öffentlich, sondern einer
von den Freifrohnen schlich sich des Nachts ungesehen an die Mauern
des Schlosses oder des Hauses, wo der Angegebene wohnte, und schlug
die Ladung an die Thüre an. Dieser mußte sich dann an einem be-
stimmten Tage an einem gewissen Orte einfinden, der ihm angegeben
ward. Hier wartete seiner schon ein Abgeordneter der heiligen Fehme,
der ihn mit verbundenen Augen an den geheimen Ort führte, wo die
Richter versammelt waren. Gemeiniglich hielten sie ihre Sitzungen bei
Nacht in einem dicken Walde, oder in einer Höhle, oder in einem
unterirdischen Gewölbe. Hier saßen sie vermummt bei schwachem Lichte
in schauerlichem Halbdunkel, und tiefe Stille herrschte unter ihnen und
rings um sie her. Der Freigraf allein erhob seine Stimme, hielt dem
Vorgeladenen das Verbrechen vor, dessen er angeklagt war, und forderte
ihn auf, sich zu vertheidigen. Konnte er sich befriedigend verantworten,
so wurde er freigesprochen und eben so geheimnißvoll, als er gekommen
war, wieder weggeführt. Wurde er aber seiner Schuld überwiesen, so
wurde er zum Tode verurtheilt und noch in derselben Stunde, nachdem
man ihm Zeit gelassen, seine Seele in einem kurzen Gebete Gott zu
empfehlen, mit einem Dolche niedergestoßen oder an einen Baum auf-
geknüpft. Gemeiniglich mußte der jüngste Schöppe das Henkeramt ver-
richten, und alles wurde so geheim gehallen, daß niemand erfuhr, wer
der Henker gewesen sei.
Stellte sich der Angeklagte nicht auf das erste Mal, so wurde die
Vorladung noch zweimal wiederholt. Blieb er auch das dritte Mal
aus, so erfolgte die Verurtheilung, und einige von den Freischöppen
erhielten den Auftrag, den Spruch der Richter an ihm zu vollziehen.
Von nun an wurde er von unsichtbaren Händen verfolgt bis an seinen
Tod. Traf ihn einer von den Schöppen an einem einsamen Orte, so
stieß er ihm ohne Umstände ein Messer in die Brust, oder knüpfte ihn,
von einigen seiner Gesellen unterstützt, an den nächsten Baum auf Das
blutige Mordgewehr aber wurde neben den Leichnam des Getödteten
gelegt oder in die Erde gesteckt, zum Zeichen, daß er nicht unter die
Hände eines gemeinen Mörders, sondern, von der heiligen Fehme ver-
urtheilt, durch die Hand eines Wissenden gefallen sei.
Die Sitzungen der heiligen Fehme wurden aber nicht immer heim-
lich, sie wurden auch öffentlich gehalten, doch immer erschienen die
Wissenden vermummt. Um Mitternacht versammellen sie sich auf dem
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428
ist Gott; denn er ist nicht geworden. Das Schönste ist die Welt; denn
sie ist Gottes Werk. Das Größte ist der Raum; denn er faßt alles
tn sich. Das Schnellste ist der Gedanke; denn er springt überall hin.
Das Gewaltigste ist das Schicksal; denn es bringt alles unter sich.
Das Gescheiteste ist die Zeit; denn sie entdeckt alles."
Solon fand bei seiner Heimkehr Stadt und Land in einer großen
Verwirrung. Die Reichen hatten das arme Volk ganz in ihrer Ge-
walt. Wenn die Armen die Zinsen nicht bezahlen konnten, so wurden
sie zu Sklaven gemacht oder verkauft. Die Reichen waren Richter und
richteten nach Willkür. An die Stelle der Könige waren Archonten
getreten, und zu einem solchen wählte man Solon. Als Regent des
Staates sollte er neue Gesetze geben. Da die Verschuldung der meisten
Bürger von Athen das größte Übel war, woran das Gemeinwesen litt,
so suchte er die Schuldforderungen zu ermäßigen. Die bisherigen von
Drako herrührenden Gesetze, welche auf alle Vergehungen ohne Unter-
schied Tod oder Verbannung setzten, waren wegen ihrer allzugroßen
Strenge unbrauchbar. Solon milderte diese Gesetze und suchte das Volk
zur Menschlichkeit zu gewöhnen. So verordnete er: wer in einem Tem-
pel Schutz suche, der solle da unangefochten bleiben; von Todten solle
man nichts Übeles reden; Fremdlinge solle man nicht beleidigen, son-
dern gastlich aufnehmen; Verirrten den Weg zeigen; die Sklaven solle
man menschlicher behandeln; wer im Kriege verstümmelt worden sei, der
solle auf Kosten des Staates erhalten werden.
Was die Verfassung betrifft, so übertrug er der Volksversammlung
das Recht, Krieg und Frieden zu beschließen, Bündnisse einzugehen, die
Staatsbeamten zu erwählen und Gesetze zu geben und aufzuheben. Das
ganze Volk theilte er nach dem Vermögen in vier Klassen. Die vierte
Klasse, welche alle ganz unbemittelte Bürger umfaßte, hatte zwar Theil
an der Volksversammlung, konnte aber keine Staatsämter bekleiden, was
auch schon darum unmöglich gewesen wäre, weil die Ämter keine Ein-
künfte gewährten. Die neun Archonten, als höchste obrigkeitliche Per-
sonen, welche die obere Leitung des Krieges, Gottesdienstes und des
Gerichtswesens hatten, beschränkte Solon durch den Rath der 400 (Senat),
der jedes Jahr aus ganz unbescholtenen Bürgern neu gewählt wurde.
Die größte Gewall lag in den Händen des obersten Gerichtshofes, wel-
cher Areopag genannt wurde und aus den erfahrensten und redlichsten
Männern zusammengesetzt war. Die Archonten wurden nach Ablauf
ihres Regierungsjahres in denselben aufgenommen. Der Areopag war
der Hauptpfeiler, auf welchen die Verfassung sich stützte, denn er forderte
Rechenschaft von den Archonten über ihre Amtsführung, führte die Auf-
sicht über die öffentlichen Sitten, unterwarf die Volksbeschlüsse einer noch-
maligen Prüfung und konnte dieselben billigen oder verwerfen. Seine
gerichtlichen Sitzungen, in welchen er ohne weitere Berufung über Leben
und Tod entschied, hielt er bei Nacht und ohne Licht. Die Abstimmung
geschah durch Scherben, welche man entweder in die Urne des Todes
oder in die der Erbarmung warf. Die strenge Gerechtigkeit dieses
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45
zu überliefern. Die richterlichen Beamten haben den eines Ver-
gehens Angeklagten in Untersuchung zu nehmen und nach Befund
freizusprechen oder zu verurtheilen. Schwerere Vergehen aber, Ver-
brechen, werden unter dem Vorsitze königlicher Richter vor Schwur-
gerichten verhandelt, welche aus unbescholtenen Bürgern bestehen, die
Geschworene genannt werden. Die Geschworenen haben nach Fest-
stellung des Thatbestandes über den eines Verbrechens Angeklagten
ihr „Schuldig oder Nicht schuldig" auszusprechen, worauf alsdann
die richterliche Verurtheilung oder Freisprechung erfolgt. Zurauf-
bewahrung der verurtheilten Verbrecher dienen die Zuchthäuser. —
Die Obrigkeit im Staate soll dem Unrecht, dem Bösen, wehren
und bildet daher den Wehrstand im weitern Sinne; aber der Wehr-
stand im eigentlichen Sinne ist die bewaffnete Macht, das
Militair, die Armee oder das Kriegsheer, welches aus dem
stehenden Heere und aus der Landwehr besteht. Jeder wehr-
hafte Preuße gehört 7 Jahre lang, in der Regel vom vollendeten
20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre, zum stehenden Heere —
und zwar die ersten 3 Jahre bei den Fahnen, die letzten 4 Jahre
in der Reserve — und die folgenden 5 Lebensjahre zur Landwehr.
Die Kriegs-Marine (Kriegsflotte) in der Nord- und Ostsee ist
dazu bestimmt, die Gewässer und Küsten, sowie den Seehandel
zu schützen. Der Kieler Hafen und der Jahdebusen sind zu
Kriegshäfen bestimmt. Die gesammte Land- und Seemacht ist
dazu da, den Staat gegen Angriffe äußerer Feinde, sowie
gegen Aufruhr und Empörung im Innern zu schützen.
6. Ihrer Religion nach sind die Bewohner des preußischen Staates
Christen; doch leben zerstreut unter diesen auch etwa 314,000 Juden.
Die Christen unterscheiden sich nach dem Bekenntnisse ihrer
Religion in Evangelische und Katholiken. Die Mehrzahl, fast
2/3 der Bevölkerung, bekennt sich zur evangelischen, und y3 zur
katholischen Religion. Die Rheinprovinz, Westphalen,
Schlesien und die Provinz Posen sind überwiegend von Katho-
liken, dagegen die Provinzen Sachsen, Hessen-Nassau, Han-
nover, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Pommern und
Preußen" vorherrschend von Evangelischen bewohnt. Juden
wohnen in allen Provinzen, die meisten aber in der Provinz Posen.
7. An der Spitze des preußischen Staates und der gesammtcn
Verwaltung desselben steht als Regent, Fürst oder Landesherr
der König von Preußen: Wilhelm I. Da der König seinen Sitz
oder seine Residenz in Berlin hat, so ist diese Stadt die Haupt-
oder Residenzstadt des Staates. — Aus dem bisher Gesagten ist
leicht einzusehen, welch eine große bürgerliche Gesellschaft ein Staat
ist, und daß ein solcher unmöglich von einem Einzelnen, dem Könige
allein, verwaltet werden kann: und eben deswegen sind die im Vor-
hergehenden genannten Veranstaltungen und Beamten des
Staates nöthig, die alle ihre Amtsgewalt im Namen des Königs aus-
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_I.
Extrahierte Ortsnamen: Ostsee Sachsen Hessen-Nassau Schleswig-Holstein Brandenburg Pommern Posen Berlin
188
mußten in jeder wichtigen Angelegenheit die Volksversammlung be-
fragen. Diese wurde von den Freien und Edlen unter heiligen Bäumen
gehalten; in ihr wurde des Volkes Wohl berathen, über Krieg und
Frieden Beschlüsse gefaßt. Waffengeklirr verkündigte hier den Bei-
fall, Murren das Gegentheil. War aber ein Beschluß zu Stande
gekommen, so unterwarf sich demselben jeder Einzelne ohne Widerstand.
Auch Gericht wurde unter fteiem Himmel gehalten. Jeder trug
seine Klage oder seine Vertheidigung selbst vor, Beweise wurden durch
Zeugen geführt. Geschriebene Gesetze hatte man noch nicht. Das ganze
Volk nahm Theil am Rechtsspruche, indem es aus seiner Mitte beson-
dere Männer erwählte, welche das Urtheil nach Brauch und Herkommen
sprachen. Leibes- und Lebensstrafen wurden für gewöhnlich nicht
vollstreckt, weil man sie für kalte Ausbrüche roher Erbitterung hielt.
Die Strafen bestanden meist in dem sogenannten Wehrgelde, welches
dem Verletzten oder dessen nächsten Angehörigen, auch wohl dem Volke
zukam, und wodurch, höher oder niedriger, alle Vergehungen gebüßt
werden konnten. Beleidigungen an und von Vornehmen wurden höher
gestraft als bei Geringeren, Vergehungen gegen Frauen am härtesten;
denn diese standen in hoher Achtung bei den Deutschen und wurden
daher eben so sehr geschätzt als geehrt. Priester sorgten im Ramm
der Götter für die Ausführung der Rechtsurtheile, oder vollstreckten
die Strafen selbst, die für Vergehungen im Kriege auch aus Leibes-
und Lebens strafen bestehen dursten.
Von dem wahren Gott wußten die Deutschen nichts; sie ver-
ehrten die Sonne, den Mond und das Feuer als die Wohlthäter
des menschlichen Geschlechts. Außerdem hatten sie noch viele andere
Götter, unter denen Odin oder Wodan, auch wohl Krodo, d. i.
der Große, genannt, der Allvater der Götter und Menschen, der
vornehmste war. Er leitete durch seine Allmacht die Welt, kannte die
Thaten der Menschen und gab aus seiner Fülle Weisheit und Reich-
thum den Sterblichen, und den edel gefallenen Helden in Walhalla's
Hainen den Lohn ihrer Tapferkeit. Seine Gemahlin war Freya, die
von Lichtglanz umflossene Beglückerin der Menschen. Thor, Odin's
Sohn hatte Donner, Blitz, Wind und Wetter in seiner Gewalt,
und Hertha, das Sinnbild der fruchtbaren Erde, war die liebende,
nährende und pflegende Mutter der Menschen. Außer diesen gab es
noch eine Menge anderer, höherer und niederer Götter, auch Zwischen-
mächte, als Elfen, Nixen, Kobolde, Riesen, Zwerge u. s. w.
Die Deutschen verehrten ihre Götter, denen man viele, nicht selten frei-
lich mit Menschenopfern verbundene Feste feierte, nicht in Tempeln, sondern
in heittgen Eichenhainen, auf über das Irdische scheinbar erhabenen
Bergen und Felsen, auch wohl an heiligen Quellen und an den
Gräbern der Verstorbenen. Sie glaubten an ein ewiges Leben
nach dem Tode in Walhalla, wo die trefflichen Helden in Gemein-
schaft mit den Göttern, angethan mit ihrem Waffenschmuck, Bier aus
großen Hörnern oder aus den Hirnschalen erschlagener Feinde trinken,
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217
mit seinem Bündniß gar nicht zufrieden und machte ihm Vorwürfe»"
sogar behauptete der Papst, ein solches Versprechen brauche man gar
nicht zu halten. Da war Friedrich nicht im Stande, die Bedingnisse
zu erfüllen, welche Ludwig gemacht hatte, und schon kam die Zeit, wo
er gelobt hatte, in die Gefangenschaft zurückzukehren. Er selbst erschrak,
wenn er an das Gefängniß dachte, in dem er drei Jahre geschmachtet
hatte. Als der Tag der Rückkehr kam, da wollten alle die Seinigen
in Thränen über sein trauriges Schicksal vergehen; aber Treue und
Eid galten ihm mehr, als alles Andere. Er riß sich los und erschien
vor Ludwig. Dieser war so gerührt durch die Redlichkeit seines Freundes,
daß er rief: „Komm, Friedrich, wir wollen zusammen die Kaiserkrone
tragen!" Von Stund an lebten sie wie Brüder beisammen, aßen an
rinem Tisch, schliefen in einem Bett, und wenn Einer abwesend war,
besorgte ihm der Andere seine Geschäfte und behütete sein Land. Friedrich
starb 1330, und Ludwig 1347 auf einer Bärenjagd, unvermuthet.
23. Die Fehmgerichte.
Vom dreizehnten bis in das sechszehnte Jahrhundert bestanden durch
ganz Deutschland furchtbare heimliche Gerichte, die grobe Verbrecher
aller Art vor ihren Richterstuhl zogen und, wenn sie sich nicht genügend
rechtfertigen konnten, mit dem Tode bestraften. Es war gefährlich, sich
vor ihnen zu stellen, und noch gefährlicher, sich auf ihre Vorladung
nicht einzufinden. Ihren ersten und vornehmsten Sitz hatten sie in
Westphalen (in Dortmund), darum hießen sie auch die westphälischen
Freigerichte; den Namen Fehmgericht hatten sie aber von dem alt-
deutschen Worte verfehmen, das so viel heißt als verbannen.
Jedes solche Gericht bestand aus einem Frei grafen und einer An-
zahl Freischöppen oder Beisitzer, die man auch Wissende nannte,
weil sie um die Geheimnisse der heiligen Fehme wußten. Solcher
Beisitzer mußten wenigstens vierzehn fein; gemeiniglich waren deren aber
viel mehr. Man rechnet, daß in ganz Deutschland über 100,000 ver-
breitet waren; denn in jeder Stadt hielten sich Mistende auf, von denen
die Bürger beobachtet wurden. Ihre Sitzungen nannten sie Freidinge.
Jeder Freigraf und Freischöppe mußte auf rother Erde, das heißt
im Westphälischen, belehrt und beeidigt worden sein. Der Eid, den
man ihnen bei ihrer Aufnahme zur Sicherung ihrer Verschwiegenheit
abnahm, war furchtbar. „Ich schwöre," mußten sie sprechen, „die heilige
Fehme halten zu helfen und zu verhehlen vor Weib und Kind, vor
Vater und Mutter, vor Schwester und Bruder, vor Feuer und Wind,
vor allem, was die Sonne bescheint, der Regen benetzt, vor allem, was
zwischen Himmel und Erde ist" rc. Ein Schöppe, der seinen Eid brach,
der sollte der Hände und Augen beraubt und mit herausgerissener Zunge
an einem dreifachen Strick, zwei Meter höher als andere Schelme,
gehenkt werden. Sämmtliche Freistühle erkannten den Kaiser für ihr
Oberhaupt, machten ihn gleich nach seiner Krönung zu ihrem Mitwissern-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Dortmund Deutschland Westphälischen
Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
§ 15. Das Leben im Mittelalter.
25
kamen am Sonntage zusammen, um in Singschulen ihre Lieder vorzutragen
-(Meistersänger). Da sie oft mehr Wert auf die Form als aus den Inhalt
legten, so sank ihre Poesie zu bloßer Reimerei herab. Der berühmteste
Meistersänger war der Schuhmacher Hans Sachs in Nürnberg, ein
Zeitgenosse Luthers.
2. Die Baukunst trat frühe in den Dienst der Kirche. Bis in die
Zeit der ersten Hohenstaufen erbaute man die Gotteshäuser in dem aus
Italien stammenden romanischen Baustile, kenntlich an den halbkreis-
runden Bogen der Fensteröffnungen und Portale (die Dome zu Speier,
Worms und Mainz). Gegen Ende der Hohenstaufenzeit bildete sich am
unteren Rhein und im nördlichen Frankreich ein Baustil aus, bei dem an
die Stelle des Rundbogens der Spitzbogen trat, es ist der gotische. Ein
Abbild des mächtigen deutschen Waldes, steigen die schlanken Säulen wie
Bäume empor. Aus ihnen wachsen, Ästen und Zweigen vergleichbar, die
Rippen des Gewölbes hervor, sich vielfach verzweigend. Prächtige Stein-
metzarbeit, meist Blattformen, schmücken die Süulenknäufe und das groß-
artige Portal. Durch die hohen, kunstvoll gemalten Fenster fiel ein ge-
mildertes, zu frommer Andacht stimmendes Licht. Aber die Hauptzier der
gotischen Kirchen sind die schlanken Türme, die, je höher sie aufsteigen,
desto leichter und zierlicher werden, bis sie mit einer gewaltigen Blume in
Kreuzesform endigen. Das höchste Kleinod dieses Baustiles ist der Kölner
Dom, dessen Bau, im Jahre 1248 begonnen, dann Jahrhunderte unter-
brochen, in unseren Tagen durch Preußens Könige vollendet wurde. An
stolzer Pracht steht ihm zunächst das Straßburger Münster. Erwin von
Steinbach entwarf den Plan zu demselben; vier Jahrhunderte hat man
daran gebaut. — Auch weltlichen Zwecken dienende Gebäude wurden im
gotischen Stile aufgeführt, z. B. die Marienburg der Deutschritter, das
Rathaus zu Breslau, das zu Braunschweig und der Artushof in Danzig.
Von den heutigen Städten hat Nürnberg sein altertümliches Gepräge
gewahrt.
E. Die Rechtspflege. 1. Sie war von Karl dem Großen so ge-
ordnet worden, daß nicht mehr alle Freien an den Gerichtstagen teilnahmen.
Nur einige gewählte Männer, Schöffen genannt, führten das Richteramt
unter dem Vorsitze eines kaiserlichen Beamten. Anfänglich gab es keine
geschriebenen Gesetze; man richtete nach Sitte und Herkommen. Später
schrieb man die Gesetze auf. Solche Gesetzsammlungen sind der Sachsen-
und der Schwabenspiegel, so genannt, „weil man darin sein rechtlich ge-
ordnetes Leben erkennen sollte, wie in einem Spiegel". Überaus gewalt-
tätig war die Rechtspflege. Verweigerte der Verklagte das Geständnis,
so wurde es durch Folterqualen erpreßt, oder der Arme mußte durch ein
Gottesurteil seine Unschuld beweisen, weil man meinte, Gott werde den
Unschuldigen nicht zu Schaden kommen lassen. Darum mußten Verklagte
zum Beweise ihrer Unschuld glühendes Eisen tragen, die Hand in siedendes
Wasser stecken u. dergl. — Aber die Rechtspflege wurde noch schlechter, als
bei dein Sinken der Kaisermacht die kleineren Fürsten und Grundherren
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Extrahierte Personennamen: Hans_Sachs Erwin_von
Steinbach Karl Karl
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
26
§ 16. Rudolf von Habsburg.
vielfach als Richter auftraten. Verbrechen aller Art nahmen zu, und man
der Übeltäter ein Ritter, so blieb fein Unrecht meist ungesühnt; denn oft
genug war der Richter selbst der Verbrecher.
2. In dieser Zeit gewannen in Westfalen Reste jener alten Volks-
gerichte wieder Bedeutung. Es waren die Femgerichte, die dadurch so
großen Einfluß erlangten, daß sie im Namen des Kaisers, ohne Ansehen
der Person geübt wurden, und weil ihre Verhandlungen, wie Urteil-
vollstreckungen für die große Menge des Volkes in Geheimnis gehüllt
waren. Wenn jemand als Ketzer oder Dieb oder Mörder angeklagt war,
so fand er den Vorladebrief an seiner Tür. Erschien der Angeklagte zun
angegebenen Stunde vor dem Femgericht, das immer bei Tage, am liebsten
unter einer Linde abgehalten wurde, so verhörten ihn der Freigraf und
die Schöffen, die oft vermummt erschienen. Konnte er sich nicht recht-
fertigen, so wurde er verurteilt. Wer trotz wiederholter Ladung sich nicht
stellte, wurde „verfemt". Man fand ihn bald danach an einem Baume
aufgehängt. Ein in bestimmter Weise in den Baum gestoßenes Messer
zeigte an, daß hier die Feme gerichtet habe.
Aufgaben: 1. Beschreibe die Ausrüstung und die Wohnung eines Ritters!
2. Welche Bedeutung hat der Deutsche Ritterorden für Preußen erlangt? 3. Beschreibe
das Aussehen einer mittelalterlichen Stadt! 4. Wie gelangten die Städte zu Reichtum
und Macht? 5. Woraus erkennen wir die Macht der Hansa? 6. Merkmale des romanischem
und gotischen Baustiles. 7. Beispiele für beide Stilarten. 8. Wie erfolgte die Recht-
sprechung vor Karls d. Gr. Zeiten? 9. Wie hatte sie dieser geordnet? 10. Erkläre:
Knappe, Ritterschlag, Turnier, Ritterorden; Innung, Reichsstädte; Minne- und Meister-
sänger; Femgerichtei
8 16. Rudolf von Habsburg (1273—1291).
1. Das Interregnum (Zwischenreich) begann mit dem Tode Kon-
rads Iv., des letzten Hohenstaufenkaisers, 1254. Bis zum Jahre 1273 er-
langte kein König allgemeine Anerkennung. Da mit dem Kaiser der oberste
Richter im Reiche fehlte, so suchte sich ein jeder selbst Recht zu verschaffen.
Rohe Selbsthilfe und Gewalttätigkeit herrschten überall. Endlose Fehden
tobten unter den Fürsten; aus den Ritterburgen wurden Raubnester, aus
denen die Raubritter hervorbrachen, sobald ein Warenzug in die Nähe kam.
Die Waren wurden weggenommen, und der Kaufmann konnte sich nur
gegen hohes Lösegeld aus der Gefangenschaft befreien. Dem Landmann
raubten die Ritter das Vieh von der Weide, ja aus dem Stalle und stahlen
ihm die Ernte. Handel, Gewerbe und Ackerbau lagen infolgedessen gänz-
lich danieder.
2. Rudolfs Wahl. Endlich wurden die Fürsten dieses Treibens müde
und wühlten Rudolf von Habsburg zum Könige, weil er ihnen nicht
allzu mächtig schien, aber doch ein tatkräftiger Mann war. (Von seiner
Krönung und seinem Vorleben erzählt Schiller im „Graf von Habsburg".)
3. Rudolf zerstörte, im Reiche umherziehend, die Raubritterburgen und
stellte so Ruhe her. Den mächtigsten Fürsten, Ottokar von Böhmen,
der ihn nicht anerkennen wollte, schlug er auf dem Marchselde 1278; Ottokar
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Extrahierte Personennamen: Rudolf_von_Habsburg Rudolf Karls Rudolf_von_Habsburg Rudolf Rudolfs Rudolfs Rudolf_von_Habsburg Rudolf Schiller Rudolf Rudolf Ottokar_von_Böhmen Ottokar
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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6
§ G. Geschichte der Griechen.
8 6. Geschichte -er Griechen.
1. Lykurg. Die beiden wichtigsten Stämme des Griechenvokkes waren
der dorische und der ionische Stamm. Der erstere war aus dem nördlichen
Griechenland nach dem Peloponnes gezogen (dorische Wanderung) und hatte
sich den größeren Teil desselben unterworfen. Von größter Bedeutung wurde
Sparta, nachdem Lykurg ihm Gesetze gegeben hatte (um 880 v. Chr.). Dieser
hatte auf weiten Reisen viele Länder und ihre Gesetzgebung kennen gelernt. —
Nach Lykurgs Verfassung erhielten nur die Dorier Bürgerrechte. Sie hießen
Spartiaten.
Die früheren Bewohner Lakoniens, die sich jenen freiwillig unterworfen hatten,
hießen Periöken, waren persönlich frei, aber mußten von ihren kleinen Besitzungen
Zins an die Spartiaten geben. Die Heloten waren Sklaven, die der Willkür ihrer
Herren preisgegeben waren. An der Spitze des Slaates standen 2 Könige mit be-
schränkter Macht; ihre Berater und Helfer waren 28 über Go Jahre alte Männer, der
Rat der Alten. Ein Gesetz konnte nur zu stände kommen, wenn es die Volksver-
sammlung, zu der jeder Spartiate von seinem 30. Lebensjahre an gehörte, ange-
nommen hatte. Uber die Sitten des Volkes wie der Könige wachten die Ephoren,
d. h. Aufseher.
Der Landbesitz wurde von Lykurg in gleiche Teile geteilt und galt als
Staatseigentum, das den Bürgern nur geliehen war. Die Lebensweise der-
selben war genau vorgeschrieben und überaus einfach. Je 15 Männer bildeten
eine Gemeinschaft, die auch die Mahlzeiten gemeinsam genossen. Ein Haupt-
bestandteil derselben war die schwarze Snppe, aus Schweinefleisch, Blut und
Essig bestehend. Jeder Spartiate war Krieger und mußte sich täglich im
Waffendienste üben. — Die Erziehung der Kinder war Staatssache. Vom
7. Jahre ab kamen dieselben in öffentliche Anstalten, in denen ihre Körper-
kräfte geübt und sie an Ertragen von Hitze, Kälte, Hunger und körperliche
Schmerzen gewöhnt wurden. Den Alten waren sie Gehorsam und Ehrerbietung
schuldig. Ihre Antworten mußten kurz und treffend sein (lakonisch). — So
wuchs ein Geschlecht heran: rauh und kräftig, das im Rate klug und in der
Schlacht tapfer war. — Nachdem Lykurg seine Gesetzgebung vollendet hatte,
ließ er seine Mitbürger schwören, daß sie an der neuen Ordnung bis zu
seiner Rückkehr festhalten würden. Er reiste darauf ab und starb in der
Fremde. Vorher hatte er befohlen, seine Asche ins Meer zu streuen.
2. Solon war der Gesetzgeber Athens. Hier lastete ein schwerer Druck
auf den niedern Volksklassen, der durch die „mit Blut geschriebenen" Gesetze
Drakos noch vermehrt wnrde. Da gab der weise Solon dem Staate eine
neue Verfassung (590 v. Chr.).
Er erleichterte das Volk zuerst durch mildere Schuldgesetze; dann teilte er es nach dem
Vermögen in 4 Klassen. Nach der Zugehörigkeit zu einer derselben richteten sich die
Rechte, aber auch die Pflichten der Bürger. An der Spitze des Slaates standen 9 jähr-
lich aus der 1. Klasse gewählte Archonten. Aus den 3 oberen Klassen wurden jährlich
400 Bürger gewählt, die den Rat bildeten und alle Staatsangelegenheiten leiteten. Die
Volksversammlung, der alle über 20 Jahre alten Bürger angehörten, wählte alle
Beamte, und von ihrer Zustimmung hing die Annahme der Gesetze ab. Wächter über
Religion, Gesetz und Sitte war der Areopag. Er bestand aus gewesenen Archonten.
Wie Lykurg gab auch Solon Gesetze über die Jugenderziehung. Diese
hatte wie in Sparta Abhärtung und Kräftigung des Körpers zum Ziele, er-
strebte aber auch eine umfassende Geistesbildung; so wurde z. B. im jungen
Athener frühe der Sinn für das Schöne geweckt. — Solon reiste nach Voll-
endung seiner Gesetzgebung nach Ägypten und Kleinasien (s. § 4, 2).
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Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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§ 8. Geschichte der Römer.
es sich über 7 Hügel erstreckte. Der letzte König, Tarquinius Superbus,
herrschte gewalttätig und grausam. Als sein Sahn an der edlen Lukretia
freche Schandtat verübte, vertrieb das Volk den König und seine Familie, und
Rom wurde Republik (510).
8. Nom eine Republik. 1. Mancherlei Kämpfe hatte die junge
Republik, an deren Spitze zwei jährlich gewählte Konsuln standen, zu bestehen.
Der vertriebene Tarquinius reizte den König Porsenna in Etrurien zu einem
Kriege gegen Rom. Die Römer wurden geschlagen; als aber das Heer Por-
sennas mit den Römern über die Tiberbrücke dringen wollte, da verteidigte
Horatius Cocles dieselbe, bis sie von den Römern abgebrochen war;
schwimmend kam er zu den Seinen. Mucius Sciivola schlich sich in das
etruskische Lager, um Porsenna zu erdolchen, traf aber den Schreiber desselben.
Als man ihm mit martervollem Tod drohte, streckte er seine Rechte in das Feuer
eines Kohlenbeckens. Er erschreckte den König dadurch, daß er ihm erzählte, noch viele
Römer hätten sich mit ihm verschworen, ihn zu töten, so daß Porsenna mit Rom Frie-
den schloß.
2. Innere Kämpfe. Die Bewohner Roms bestanden aus zwei Ständen,
dem Adel, dessen Glieder Patrizier hießen, und freien, aber einstußlosen
Plebejern. Aus dem Adel wurden die Konsuln, Priester und Senatoren
(Ratsherren) gewählt; er besaß die meisten Ländereien. Die meist ärmeren
Plebejer gerieten in Schulden bei den Patriziern, und diese machten ihre Schuldner
zu Sklaven oder mißhandelten sie. Die Plebejer waren mit ihrer Lage schon
lange unzufrieden.
Als daher einst ein verdienter plebejischer Kriegshauptmann dem Schuldturm ent-
floh, und das Volk blutige Male schwerer Mißhandlung an ihm sah, zog es auf den
heiligen Berg, um hier eine eigene Stadt zu gründen. Aber dem Menenius
Agrippa gelang es, die Plebejer zur Rückkehr zu bewegen, indem er ihnen das
Gleichnis von dem Magen und den Gliedern erzählte, die einander ebenso so notwendig
brauchten wie die Patrizier und Plebejer.
Dem Volke wurden 5 Tribunen gewährt, deren Einrede jeden Senats-
beschlnß für nichtig erklären konnte. — Die gewonnenen Rechte verteidigten
die Plebejer mit Zähigkeit. Als einst bei einer Hungersnot der Patrizier
Coriolan den Vorschlag machte, den Plebejern nur dann Getreide zu spenden,
wenn sie aus ihre Rechte verzichten wollten, da wurde er vor ein Volksgericht
geladen. Der stolze Römer aber ging lieber in die Verbannung, führte ein
feindliches Heer vor Rom und konnte nur durch die strafenden Worte seiner
Mutter Veturia zur Umkehr bewogen werden. — Später erlangten die Plebejer
geschriebene Gesetze (12 Tafeln). 367 setzten sie es durch, daß einer der beiden
Konsuln ein Plebejer sein sollte, und um 300 hatten sie völlige Gleichstellung
mit den Patriziern erreicht.
3. Einfall der Gallier. Während dieser Kämpfe im Innern hatten
die Römer doch ihre Herrschaft über einen großen Teil Mittelitaliens aus-
gedehnt. Da traf sie ein harter Schlag. Die Gallier drangen unter Brennus
durch Etrurien, das sie unterworfen hatten, auf Rom vor, schlugen die Römer
390 an der Allia und verbrannten die nicht verteidigte Stadt, nachdem sie
80 zurückgebliebene Senatoren erschlagen hatten. Die Burg Roms, das Ka-
pitol, wurde belagert und wäre erobert worden, wenn nicht die der Juno
geheiligten Gänse die Besatzung durch ihr Geschrei geweckt hätten. Gegen Zah-
lung von 1000 Pfund Goldes wurde Brennus zum Abzüge bewogen. Beim
Abwägen des Goldes warf Brennus noch sein Schwert in die Wagschale und
rief voll Übermut: „Wehe dem Besiegten!" Durch den herbeieilenden Diktator
Camillus wurde Brennus geschlagen.
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Hrsg.: Steinweller, F., Sieber, Hermann, Paust, J. G., Rohn, R. A.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
§ 15. Das Leben im Mittelalter.
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kamen am Sonntage zusammen, um in Singschulen ihre Lieder vorzutragen
(Meistersänger). Da sie oft mehr Wert auf die Form als auf den Inhalt
legten, so sank ihre Poesie zu bloßer Reimerei herab. Der berühmteste
Meistersänger war der Schuhmacher Hans Sachs in Nürnberg, ein
Zeitgenosse Luthers.
2. Die Baukunst trat frühe in den Dienst der Kirche. Bis in die
Zeit der ersten Hohenstaufen erbaute man die Gotteshäuser in dem aus
Italien stammenden romanischen Baustile, kenntlich an den halbkreis-
runden Bogen der Fensteröffnungen und Portale (die Dome zu Speier,
Worms und Mainz). Gegen Ende der Hohenstaufenzeit bildete sich am
unteren Rhein und im nördlichen Frankreich ein Baustil aus, bei dem an
die Stelle des Rundbogens der Spitzbogen trat, es ist der gotische. Ein
Abbild des mächtigen deuffchen Waldes, steigen die schlanken Säulen wie
Bäume empor. Aus ihnen wachsen, Ästen und Zweigen vergleichbar, die
Rippen des Gewölbes hervor, sich vielfach verzweigend. Prächtige Stein-
metzarbeit, meist Blattformen, schmücken die Säulenknäufe und das groß-
artige Portal. Durch die hohen, kunstvoll gemalten Fenster fiel ein ge-
mildertes, zu frommer Andacht stimmendes Licht. Aber die Hauptzier der
gotischen Kirchen sind die schlanken Türme, die, je höher sie aufsteigen,
desto leichter und zierlicher werden, bis sie mit einer gewaltigen Blume in
Kreuzesform endigen. Das höchste Kleinod dieses Baustiles ist der Kölner
Dom, dessen Bau, im Jahre 1248 begonnen, dann Jahrhunderte unter-
brochen, in unseren Tagen durch Preußens Könige vollendet wurde. An
stolzer Pracht steht ihm zunächst das Straßburger Münster. Erwin von
Steinbach entwarf den Plan zu demselben; vier Jahrhunderte hat man
daran gebaut. — Auch weltlichen Zwecken dienende Gebäude wurden im
gotischen Stile aufgeführt, z. B. die Marienburg der Deutschritter, das
Rathaus zu Breslau, das zu Braunschweig und der Artushof in Danzig.
Von den heutigen Städten hat Nürnberg sein altertümliches Gepräge
gewahrt.
D. Die Rechtspflege. 1. Sie war von Karl dem Großen so ge-
ordnet worden, daß nicht mehr alle Freien an den Gerichtstagen teilnahmen.
Nur einige gewühlte Männer, Schöffen genannt, führten das Richteramt
unter dem Vorsitze eines kaiserlichen Beamten. Anfänglich gab es keine
geschriebenen Gesetze; man richtete nach Sitte und Herkommen. Später
schrieb man die Gesetze auf. Solche Gesetzsammlungen sind der Sachsen-
und der Schwabenspiegel, so genannt, „weil man darin sein rechtlich ge-
ordnetes Leben erkennen sollte, wie in einem Spiegel". Überaus gewalt-
tätig war die Rechtspflege. Verweigerte der Verklagte das Geständnis,
so wurde es durch Folterqualen erpreßt, oder der Arme mußte durch ein
Gottesurteil seine Unschuld beweisen, weil man meinte, Gott werde den
Unschuldigen nicht zu Schaden kommen lassen. Darum mußten Verklagte
zum Beweise ihrer Ünschuld glühendes Eisen tragen, die Hand in siedendes
Wasser stecken u. dergl. — Aber die Rechtspflege wurde noch schlechter, als
bei dem Sinken der Kaisermacht die kleineren Fürsten und Grundherren
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Extrahierte Personennamen: Hans_Sachs Erwin_von
Steinbach Karl Karl